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Dieser Artikel erschien 2008 im Bayern 2 Zündfunk, ursprünglich abrufbar hier, leider mittlerweile offline

Vespa-Freu(n)de

Autor: Bayernkurier Anna Schleinzer

Unentschlossen stehe ich vor dem Kühlregal. Während ich noch zwischen Bauchspeck und mariniertem Putensteak schwanke, tippt mich eine junge Frau von hinten an. "Du bist grad mit der Vespa gekommen, oder?", fragt sie. Bin ich! Mit meiner alten PX 125 Lusso, die ich in pubertären Wirren mal als Tigerente umlackiert hatte. Meine Supermarktbekanntschaft drückt mir einen Flyer in die Hand: "Wenn du nicht nur von A nach B fährst, sondern Rollerfahren für dich eine Lebenseinstellung ist, bist du hier richtig!" lese ich darauf. Drei Jahre ist das her. Die Tigerenten-Vespa strahlt dank meines Bruders ("So kann doch keiner rumfahren!") nun wieder im schönsten Blau und gestern hab ich's endlich mal geschafft, dem Blechroller-Stammtisch einen Besuch abzustatten.

Morgens in Nürnberg, abends in Rom

Vorm Sabberlodd in Nürnbergs Stadtteil Johannis steht schon ein halbes Duzend restaurierter Vespas in allen Farben. Drinnen weist ein Helmberg mir den Weg zum richtigen Tisch. Ein paar Studenten, sonst ist heute zwischen Mitte zwanzig und fünfzig alles dabei. Rentner Fred, so um die siebzig, fehlt heute leider, erzählt mir Stefan, der eine beachtliche Ähnlichkeit mit Kapitän Efraim Langstrumpf hat: "Der Fred fährt gern mal morgens mit der Vespa in Nürnberg los und ist dann irgendwann abends in Rom." Mit Fred tu ich mich zusammen, bella Italia, wir kommen!

Es werden Ausfahrten geplant, über Motoren und Modelle gefachsimpelt und eine Curry-Wurst, die wohl eher mal eine Weißwurst gewesen ist, kunstvoll auseinandergenommen. Wie die unzähligen Roller, die hier alle schon mal zerlegt haben: "Einfach ausprobieren, erstmal geht zwar meistens weniger als zuvor, aber am Ende läuft'se wieder, wirst sehen", macht mir der blonde Rainer Mut, als ich wegen meiner kaputten Tanknadel frage. Diverse Schraubunfälle, bei denen jedesmal ein neues Schräubchen übrig geblieben ist, verschweige ich ihm lieber. Der Bauingenieurwesen-Student gegenüber spricht noch Parkwarnungen für Nürnberg-Süd aus. Seine sattgelbe Vespa, die er in der nördlichen Südstadt abgestellt hatte, ist seit kurzem mit fetten schwarzen Tags verziert.

Mückenleichen am Schienbein

Der Himmel zieht ölschwarz zu, beim ersten Donnern verabschiede ich mich. Schließlich will ich die 20 Kilometer heim nach Erlangen ohne den roten Regenoverall auspacken zu müssen, überstehen. Bei Regen ist Rollerfahren nämlich schlagartig keine Lebenseinstellung mehr, sondern einfach nur ätzend. (Leider rausche ich dafür viel zu oft fluchend im knallroten Ganzkörperkondom durchs Pisswetter!) Heute aber habe ich Glück, der warme Wind spielt mir um die Beine, das Wetter hält. So in kurzen Hosen Vespa-Fahren ist ein Traum! Also abgesehen von der Hundertschaft Mückenleichen, die ich mir daheim von den nackten Schienbeinen kratze.