Stammtisch
Thyme et Romarin Eine Tour über die französischen Pässe zur Côte d‘Azur
Endlich mal wieder Südfrankreich! Ich freue ich mich auf Pains-au-Chocolat, Pastis und den Duft von Thymian, Rosmarin und Lavendel. Wir, das sind Dave, Rainer und Erdi, planen von Nürnberg aus durch die Schweiz über Chamonix eine Mischung aus Route des Grandes Alpes und Route Napoléon bis Nizza zu fahren, weiter an der Côte d‘Azur über Monaco nach Italien und dann über Asti, Mailand und den Comer See zurück. Natürlich ausschließlich auf Landstraßen, es geht uns nicht um Strecke machen, sondern um den Fahrspaß! Wir haben uns zwei Wochen Zeit genommen, um uns auch Ruhetage leisten zu können, die Übernachtungen sind mit Zelt und Schlafsack geplant, nach Lust, Laune und Wetter auch mal ein Zimmer nehmen.
Wir starten mit diesen Rollern: Dave: VNB/VBB-Bastard mit PX-Motor und Malossi 221 („El Burro“) Rainer: PX 80 mit 200er Originalmotor („Ugly“) Erdi: Sprint mit PX-Motor und Parmakit 177 Ich: VBA mit 2-Kanal-Motor und DR 177
Nach nur 25 km fällt Daves El Burro mit verdrehter Kurbelwelle aus und wir müssen schon abbrechen. Cpt.Howdy verbringt den Nachmittag damit, den Motor zu reparieren, es stellt sich heraus, dass die vor einiger Zeit nach ebenfalls Verdrehen gerichtete und lasergeschweisste Welle gebrochen ist, aber Ersatz kann am selben Tag aus dem Freundeskreis besorgt werden.
Neustart am nächsten Tag: El Burro bleibt störrisch und macht weiter Probleme, der Pickup tut nicht mehr. Der Gaslötkolben ist bei dem Wind zu schwach, um einen neuen einlöten zu können, also spendet Erdi seine Ersatz-Zündgrundplatte. Nach einem Plattfuß bei Erdi kommen wir nach 252 km am Campingplatz in Krauchenwies an. Schön an einem Badesee gelegen, aber zum Schwimmen leider zu kühles Wetter.
Beim Aufbruch zum Restaurant das nächste Desaster bei El Burro: die Kupplung dreht sich auf der Welle, Keil abgeschert. Mit Bordwerkzeug schlecht zu reparieren, weil es riskant ist, die Welle zum Öffnen der Kupplungsmutter über das Lüfterrad oder den Kolben zu blockieren. Nach kaputter Kurbelwelle und Zündung ist die Stimmung bei Dave denkbar schlecht und unsere auch, da er entnervt laut überlegt, die Tour abzubrechen.
Am nächsten Morgen entdecken wir, dass einen Steinwurf vom Campingplatz eine Autowerkstatt ist. Wir schieben El Burro hin, mit Schlagschrauber ist die Kupplungsmutter gleich gelöst - beim Austausch der Welle am abgebrochenen ersten Tag unter Zeitdruck und bei im Rahmen gespaltenem Motor saß die Kupplung nicht richtig auf dem Halbmond und hatte diesen nach hinten geschoben. Neuer Halbmond aus dem Ersatzteil-Kästchen, alles gut. Ab jetzt läuft es ohne größere Probleme…
Nach Besichtigung des Rheinfalls in Schaffhausen geht es weiter in die Schweiz und dort auf die B1, die weitgehend nervig ist mit viel Verkehr und Stop-and-Go über Kilometer. Bis zum Lac Léman werden wir es heute nicht schaffen, deshalb suchen wir um Langenthal herum einen Schlafplatz. Irgendwo zwischen zwei Dörfern kommen wir an einer Pension vorbei, an der ein Schild „Zimmer“ hängt, und stoppen. Weit entfernt sehen wir den Eigentümer, der mit seinem Hund über die Wiesen zu uns sprintet. Da alle Zimmer belegt sind, dürfen wir das Zelt im Garten unter einem riesigen Walnussbaum aufschlagen. Nur 184 km heute.
Am dritten Tag (234 km) weichen wir von der geplanten Route weiter über die B1 an den Lac Leman ab und fahren lieber über Straßen mit weniger Verkehr über den Thuner See und den Col de Forclaz (1527 m) bis Chamonix. Schöner Campingplatz mit grandiosem Blick auf die Gletscher des Mont Blanc und die Aiguille du Midi. Bummel und Essengehen in Chamonix.
Am nächsten Morgen nach den ersten Croissants und Pains-au-Chocolat umfahren wir das Massiv westlich und stoßen hinter Megève auf die Route des Grandes Alpes, der wir ab nun folgen. Fantastische Fahrt durch die frz. Hochalpen über den Col de l'Iseran (2770 m), dem höchsten überfahrbaren Gebirgspass der Alpen. Auch eine Gruppe 50-60-jähriger packen den Pass flott mit ihren Mobyletten. Bei der Abfahrt vom Col du Télégraphe macht meine Hinterradbremse nicht mehr auf, ich kann aber glücklicherweise abfangen und fahre den Rest nicht mehr so sportlich herunter. Unten nehme ich die Bremstrommel herunter, aber Beläge und Nocke sehen in Ordnung aus. Abends nach 255 km kleiner Campingplatz in Valloire.
Weiter am Tag 5 mit den Highlight-Pässen über den Col du Galibier (2642 m) und den Col d‘Izoard (2360 m), wo wir kurz mit einem Paar aus Colorado plauschen, die ihren Job gekündigt haben und mit Motorrädern und Rennrad Europa befahren. „If you don‘t make any plans, nothing can go wrong“ gefällt mir. An den Steigungen sind die anderen meiner VBA mit ihren 8“ und drei Gängen natürlich überlegen, der 3. zieht die Steigungen nicht mehr und im 2. mag ich nicht mit hohen Drehzahlen fahren. Mit 40 kmh kommt man aber auch hoch. Dann noch der Col d‘Allos (2250 m) zum gemütlichen Campingplatz in Colmars, wo ich jetzt mal das Bremsseil tausche und die Nocke herausziehe (hat aber genug Fett und hakelt nicht). Ich führe die Vollbremsung also auf die heiße Bremstrommel zurück. Im Restaurant bitten wir um das WiFi-Passwort, das uns der Ober netterweise als Rätsel aufschreibt.
Es geht am nächsten Morgen heraus aus den Alpen in die Provence zur Verdonschlucht, die wir nördlich über La Palud zum Lac de St. Croix fahren. Leider verpasse ich, die Route des Crètes mitzunehmen, die weitere tolle Aussichtspunkte in die Schlucht bietet, die ein Paradies für Sportkletterer ist. Das Verschärfte ist dort, dass man von oben in die Startpunkte der Kletterrouten abseilt und dabei bis zu 300 m Luft unter dem Arsch hat. Am Lac bauen wir das Zelt auf dem Camping Municipal auf, baden im türkisblauen See und es gibt Baguette, Käse und Wurst und reichlich Pastis. Am 7. Tag machen wir ganz biblisch einen Ruhetag, mieten ein Tretboot und schippern vom Lac in die Verdon hinein. Hellgrauer Fels, Baden vom Boot aus und danach einmal rund um den See durch Lavendel und Sonnenblumen gerollert. Nochmal baden im See.
Über die Corniche Sublime geht es am 8. Tag nun südlich die Verdonschlucht über zahlreiche Aussichtspunkte entlang, dann der Route Napoleon folgend nach Grasse. Immerhin gehen 2 von 3 Kollegen mit ins Musée du Parfum, das unter anderem einige witzige Flakons bietet. Weiter nach Nizza an die Promenade des Anglais, die zuletzt eher traurige Berühmtheit durch das Lastwagen-Attentat 2016 erlangte. Dann immer der Küste folgend nach Monaco (sieht irgendwie anders aus als im F1-Game, wo sind die Banden und Tribünen?) und über Menton und Ventimiglia rüber nach Italien. Die Côte d‘Azur mag ich persönlich nicht so, ist mir zu massiv bebaut, zu laut, zu viele Menschen. Relativ hässlicher Campingplatz in Vallecrosia, aber dafür gutes Fischlokal am Strand.
Nach einem Verhauer mit 40 km tags drauf fahren wir die SS20 nach Norden, ein Stück wieder in Frankreich durchs Roya-Tal, und dann über Cuneo und Asti Richtung Mailand. Ab Cuneo ist es flach und das Fahren ist eher langweilig. Zwischen Asti und Mailand zieht ein Gewitter auf und es wird so stürmig und weht Äste auf die Straße, dass wir uns eine zeitlang zwischen Reisfeldern in einer Unterführung unterstellen. Kein Bock auf nasses Zelten heute und wir finden in Trino ein Hotel - angenehm, mal wieder im Bett zu schlafen und morgens nicht zusammenpacken zu müssen. Wieder mal Pizza in einem stilvollen Restaurant, die richtig gut und groß ist und nur unglaubliche 5 Euro kostet.
Langweilige Weiterfahrt und lästiger Stadtverkehr in der Hitze Mailands zum Lambretta-Museum von Vittorio Tessera / Casa Lambretta. Vittorio hat eine unglaubliche Sammlung, neben eigentlich allen Lambrettas und Sondermodellen auch ein Querschnitt durch die internationale Rollerproduktion und einige Vespas, der Eintritt ist frei. Pontedera fällt da deutlich ab! Danach weiter zum Comer See – endlich wieder bergiger – und dort auf den Camping Rivabella, der bei Lecco am Nebensee Lago di Garlate liegt. Der Nachbar dort ist ein Engländer, der - sehr zur Freude von Rainer - diverse Rennserien auf Kawasaki gefahren ist (seine Beine zeigen auch reichlich Narben) und nun aber wegen Familie und Kind nur noch als Team-Monteur unterwegs ist. Der nächste Tag nur „sweet nothing“, keinen Meter rollerfahren, nur baden.
Am 12. Tag ändern wir wieder die geplante Route und fahren östlich über Bormio das Stilfser Joch (2758 m). Die Passstraße ist gigantisch, die Passhöhe selbst gegenüber den französischen Pässen überlaufen und eine Orgie aus Souvenirläden und Würschtelbuden. Immerhin gibt es sogar einen Aufkleber mit Vespa drauf. Dann über den Reschenpass mit obligatorischen Fotos am Kirchturm im See nach Pfunds auf den Campingplatz. Von Nauders nach Pfunds kann man über die Norbertshöhe fahren, wo man auf knapp 17 km zweimal über die österreichisch-schweizer Grenze kommt.
Letzter gemeinsamer Tag, Dave und ich fahren noch den Vesperados-Run in Bad Wörishofen an, Rainer und Erdi fahren nach Besuch bei SIP durch bis Nürnberg. Auf dem Weg zum Run beschließe ich noch, im Tran in einer langezogenen Kurve auf nasser Straße mit abgefahrenem Hinterreifen, nicht in El Burro zu krachen, sondern mich ins Gras des Seitenstreifens abzulegen. Glücklicherweise ohne Blessuren an Roller und mir, nur ein wenig erschrocken. Am folgenden Tag geht es auch für Dave und mich den Rest heimwärts nach Nürnberg.
Insgesamt eine fantastische Tour mit Freunden und etwa 3000 gefahrenen Kilometern sowie reichlich Höhenmetern auf dem Roller durch D – CH – F – MC – I – F – I – AT – CH – AT – D. Nach den Anfangsschwierigkeiten auch bis auf zwei platte Reifen bei Erdi, einen gerissenen Kupplungszug bei mir und den Hitzeproblemen meiner Bremse keine Pannen. Non, je ne regrette rien.